Clemens J. Setz, Monde vor der Landung
"Gleich nach dem Aussteigen am Bahnhof von Bechtheim begrüßten ihn die alten Bäume, die trotz des gespenstischen Zeitalters immer noch mitten im realen standen, dunkelbraun und jeder einzelne Stamm unwiderlegbar, und nach Westen hin, in der Ferne, sah man die lodernden, lichtdurchwühlten Wälder der Jahrhundertwende, in denen all die uralten Sprichwörter aus der Kindheit hausten, die Narrenspiegel und Wurmsegen, die Rechtsurteile und Einträge in der Dorfchronik, die Nibelungenfahrräder und kreiselpeitschenden Zinnsoldaten. Und natürlich: die Weinberge. Immer noch die selben. Flatternde, üppige, nimmermüde Kammgebilde, in den Rauschfarben des Herbstes."
"Die Lösung des Rätsels des Lebens in Raum und Zeit liegt außerhalb von Raum und Zeit." (_Tractatus Logico-Philosophicus, 6.4312_)
"In der unendlichen Zeit, in der unendlichen Materie, im unendlichen Raum steigt ein kleines Bläschen, ein Organismus auf. Es hält sich einige Zeit in der Unendlichkeit und zerplatzt dann. Dieses Bläschen bin ich." Leo Tolstoi, Anna Karenina
Anja Majer
"Oft bin ich in Varanasi um diese Zeit , wenn ich vom Ufer der Ganga die
Glocken von den Schreinen bis ins Hotelzimmer hinein hörte, zur Tür
hinaus gegangen, habe eine Fahrradrikscha bestiegen und mich dem Lärm
der Straßen ausgesetzt, um keine Glocken zu hören, oder ich bin, mich
dem Geläute der Glocken aussetzend und mit dem Teufel des Klöppels
ringend, durchs Assi Ghat gegangen, zu einem anderen Stadtteil, an den
Slums vorbei, wo sich auf den Abfallhaufen Schweinen und kleine nackte
Kinder tummelten, zu einem Schrein ganz in der Nähe des Durga-Tempels,
und habe bei den Ritualen zugeschaut und gesehen, wie die Gläubigen,
Gebete murmelnd, die Glocken geschlagen haben, während ich in mir, in
mich hineinkriechend, mein Herz zerbrochen, zertrümmert und zerfetzt
habe, immer und immer wieder."
(Josef Winkler, Die Glocken von Santa Fe.)
"Erinnern ist ja eine wacklige Brücke nach Damals"
Norbert Entfellner
Die Schwarzschild-Gleichung beschreibt den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie wurde 1916 von Karl Schwarzschild als Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen für eine nicht rotierende, ungeladene, sphärisch symmetrische Masse abgeleitet.
"Wellen sind keine Nettigkeiten, keine Erhebungen der Seele, sondern bloß Schwingungen, die sich durch den Raum quälen, als wollten sie entkommen, um dann wieder zurückzukehren. Eine Welle ist der ständige Versuch, etwas zu überleben, durch den Raum, den wir nicht sehen, aber immer spüren. Sie schraubt sich auf, drückt sich aus, lässt sich fallen. Amplitude – das ist, was uns aufwühlt, was uns auf den Boden wirft. Und Frequenz – der Moment, in dem alles, was sich wiederholt, zur einzigen Wahrheit wird, die uns in den Wahnsinn treibt. Sie ist der Rhythmus einer Welt, die in ihrer Rastlosigkeit niemals Ruhe findet. Sie ist da und sie wird immer wieder kommen, als hätte es nie einen Anfang gegeben, als gäbe es kein Ende." Ai
"i h a v e a n a r t t h a t h a s n o i m a g e, n o o b j e c t , l i
t t l e p l a c e o f f o c u s, s o w i t h o u t i m a g e o r o b j e
c t o r f o c u s, w h a t d o y o u h a v e l e f t ? i t s t h e i d e
a o f s e e i n g y o u r s e l f s e e, u n d e r s t a n d i n g h o w
y o u p e r c e i v e"
James Turrell
"Unfortunately, no one can be told what the Matrix is. You have to see it for yourself." Morpheus
"Den Geist gliedern mithilfe der Form. Sonst weht und wirkt er nicht
(Bahnhof Koper, windgerillte Pfützen, rauschendes Schilf)"
Peter Handke, Gestern unterwegds
The works emerge from visual experiments with shaders. They are based on programming languages such as Processing, GLSL, or JavaScript. Some projects are entirely self-programmed, while others develop in collaboration with artificial intelligence, in a constant interplay between machine suggestion and personal refinement. Structure, movement, and chance interweave to create forms that are both strictly calculated and open in their unfolding. This establishes a field of work that understands technology not only as a tool but as an active counterpart. Human and machine interlock, and from this dynamic arise visual worlds that make both perception and process equally visible.
Two Shader Studies
These two works are the result of an experiment: ChatGPT-5 was tasked with translating Descartes’ concepts of res extensa and res cogitans into graphic form. The starting point was a Java program, which I adapted in P5 for web presentation.
The focus here is not on an original idea of my own, but on the question of how an AI responds to a philosophical theme and transforms it into visual structures. The results show how machine processes can unfold within a field usually associated with human creativity.
RES EXTENSA – “extended things”
A Euclidean fabric (grid) fills the space. It oscillates deterministically (sine) yet remains metrically ordered. Optionally, the mouse can “pull” the fabric locally – as a symbol of pure spatial extension.
Idea: order, distances, metrics, neighborhoods — pure extension without “purpose.”
RES COGITANS – “thinking subject”
An inner field of thoughts: 120 “thoughts” (points) move according to Perlin noise, briefly connecting into a self-organized graph, and leaving behind sparse memory traces (trails). From time to time, the entire structure condenses into a simple form (a single point pulse) – the complex processing leads to outputs that appear deceptively simple.
Idea: abundant structure & self-organization, little in the way of geometric “bodies” – rather process, trace, relation, “insight pulses.”
Nach der Lektüre von Superintelligence
Nick Bostroms Superintelligence ist ein notwendiger Weckruf – präzise in der Analyse, aber ohne Tiefe im Denken. Es beschreibt Szenarien, in denen maschinelle Intelligenz den Menschen überholt, bleibt jedoch auf der Ebene des Funktionalen.
Was fehlt, ist der Blick nach innen – die Frage nach dem Ursprung des Denkens, nach Bewusstsein, Erfahrung und Weltbezug. Bostroms Intelligenz erscheint als reine Rechenlogik: körperlos, ohne Resonanz, ohne Wahrnehmung.
Mich interessiert genau dieser blinde Fleck: das Spannungsfeld zwischen Rechenlogik und Erfahrung, zwischen Modell und Erscheinung, diesen Raum zu öffnen – dort, wo maschinelle Prozesse auf Wahrnehmung treffen und Denken sichtbar wird.
All knowledge comes from sensory experience.
— John Locke
To be is to be perceived.
— George Berkeley
The self and the world are but fictions made of perceptions.
— David Hume
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